Unsere Geschichte

 

Die «Flachlandführer» organisieren sich

Die unbefriedigenden Zustände im Führerwesen im 19. Jahrhundert riefen nicht nur den SAC und die kantonalen Behörden auf den Plan, sondern auch die Bergführer selbst, das heisst jene, die sich als die „richtigen“ Bergführer verstanden, sich von den „Taugenichtsen“ abgrenzen wollten und sich um ihren Ruf sowie vor zu viel, unqualifizierter und auch auswärtiger Konkurrenz fürchteten. Sie begannen sich in Vereinen zusammen zu schliessen.

Das 1899 in Kraft getretene SAC-Führerreglement sah „zwei Kategorien“ Bergführer vor: solche, die „unter Aufsicht der Kantonsregierungen“ standen und von diesen patentiert wurden sowie solche, die „unter Aufsicht einer Sektion des S.A.C.“ standen und das Bergführerdiplom wie auch das Bergführerbuch und ein Bergführerabzeichen vom SAC erhielten. Nachdem bis Mitte des 20. Jahrhunderts alle Bergkantone eigene Bergführerverbände hatten, handelte es sich bei diesen sogenannten SAC-Führern um „Unterländer-Bergführer“.

Es sollte bis 1969 dauern, bis die SAC-Bergführer beim Schweizer Bergführerverband (SBV), ein Aufnahmegesuch stellten, dem die Delegierten des SBV ein Jahr später stattgaben. Daraufhin schlossen sich die „Flachlandführer“ im Jahr 1971 zu einem eigenen Verband, dem SAC-Bergführerverband zusammen, der heute offiziell „Interkantonaler Bergführerverband“ (IKBV) heisst. Mit der Gründung strebten diese Bergführer mehr Unabhängigkeit gegenüber dem SAC und wohl auch eine stärkere Position gegenüber den kantonalen Bergführerverbänden an.

Verschiedentlich wird aus den Dokumenten deutlich, dass die Bergführer aus dem Unterland bei den Mitgliedern des SBV auf eine gewisse Skepsis stiessen. Die SAC-Bergführer, denen ein Mangel an alpiner Erfahrung angelastet wurde, mussten „um ihr Ansehen kämpfen“ und waren bisweilen auch „Hänseleien“ oder „bösen Worten“ ausgesetzt. Vertreter der Bergkantone befürchteten das „Überhandnehmen von Unterland-Bergführern“. Davon, dass diese Befürchtungen bis heute nicht gänzlich verschwunden sind, zeugt die Tatsache, dass sich bis heute die inoffizielle Regel hält, wonach die drei für die Ausbildung verantwortlichen Technischen Leiter aus den kantonalen Bergführerverbänden Bern, Graubünden und Wallis zu kommen haben.

Versuche von Unterländern, in das Bergführerwesen einzusteigen, sowie Diskussionen darüber, ob sie zuzulassen seinen, wurden nicht erst in den 1970er-Jahren geführt. Bereits im Jahr 1908 berichtete die Zeitschrift „Alpina“ des SAC von der Reklamation eines SAC-Mitglieds der Sektion Bern, dem die „Zulassung zum Führerkurs in Grindelwald verweigert“ worden war. In den 1950er bis Ende der 1970er-Jahre äusserte sich der SBV wiederholt skeptisch zu Unterländer Führern. Es wurde etwa die „Verdrängung der Führer aus den Bergkantonen“ befürchtet und gefordert, der Führerberuf solle „der Bergbevölkerung als Privileg erhalten bleiben“. Gleichzeitig mussten sich Ende der 1970er-Jahre aber auch gewisse Bergler vom SBV Kritik gefallen lassen. Es gebe „immer noch Kandidaten aus renommierten Alpinzentren, die glauben, Name und Herkunftsort garantieren schon den Erfolg“ stellte der Präsident des SBV 1979 fest, „Wie lange dauert es wohl noch, bis man überall begriffen hat, dass man heute andere Forderungen an den Bergführer stellt als vor 30 und 40 Jahren? Es geht einfach nicht an, bei schlecht vorbereiteten Kandidaten beide Augen zuzudrücken, nur weil sie aus Gebirgskantonen stammen.“

Der SAC stand der Frage der Führer aus dem Unterland in den 1950er-Jahren ambivalent gegenüber. Einerseits war er selbst zuständig für sie, andererseits wollte er es sich mit den Bergführern aus den Bergregionen nicht verderben. Das Central-Comité Basel etwa vertrat den Standpunkt, „dass der Führerberuf prinzipiell der Bergbevölkerung vorbehalten bleiben sollte“. Festgestellt wurde jedoch durch das gleiche CC auch, es gebe „immer weniger junge Männer aus den eigentlichen Berggebieten“, die sich „für den Führerberuf interessierten“, denn „anderweitige gute Verdienstmöglichkeiten locken, und die unsicheren Erwerbsaussichten als Führer bilden auch keinen besonderen Anreiz“. Noch 1976 proklamierte man die „Förderung der Bewerber aus den Gebirgskantonen“, „damit die neu ernannten Führer ihren schönen Beruf auf heimatlicher Scholle ausüben können“. Im Spannungsfeld zwischen unter- und oberländer Führern bemühte sich der SAC um eine vermittelnde Position. 1979 hielt ein Autor um Herstellung von Harmonie bemüht fest: „Obschon die Bergführer aus den Patentkantonen und die SAC-Führer aus dem Unterland in ihrer Auffassung über den Bergführerberuf nicht immer einiggehen, ist unter den Fittichen des Schweizer Bergführerverbandes ein vermehrtes Verständnis füreinander spürbar.“

 

Gründungsversammlung der Führervereinigung des SAC

Mit einer Einladung, datiert 2. November 1971, lud der Führerchef des Central-Comité Roland Guinard, die SAC-Bergführer auf Samstag, 20. November 1971, ins Restaurant Roter Turm nach Solothurn ein. Das CC Zürich und Lausanne sah die Notwendigkeit, den SAC-Führern die gleichen Möglichkeiten zu verschaffen, wie den Bergführern aus den Patentkantonen.

So trafen sich unter der Sitzungsleitung von Roland Guinard die Bergführer Walter Müller, Urs Marti, Beat Fasnacht, Hansruedi Studer, Jacques Jenny, Alois Strickler, Paul Marti, Toni Betschart, Dölf Fröhlich, Claude Lévy, Yvan Colliard, Paul Etter, Peter Etter, Peter Heller und Andreas Peter Hirsbrunner. Entschuldigen liessen sich Walter Ackermann, Franz Anderrüthi, Martin Bucheli, Tito Calvi, Eugenio Filippini, Gottfried Forster, Gusti Imfeld, Daniel Krumenacher, Reto Küng, Raymond Lambert, Heinz Leuzinger, Alfons Röthlin, Bruno Schaerer, Peter Schoepflin, Michel Vaucher, Urs Peter Wälchli, Othmar Wenk und Arnold Würsch. Als nicht anwesend wurde Raphael Cuman aufgeführt.

Der erste Vorstand des neuen SAC-Bergführerverbandes setzte sich zusammen aus dem Präsidenten Paul Etter (Walenstadt), den beiden Vorstandsmitgliedern Dölf Fröhlich (Rapperswil) und Jacques Jenny (Genf) sowie den beiden Rechnungsführern Peter Heller (Zumikon) und Claude Lévy (Genf). Die Mitgliederbeiträge wurden auf 20 Franken plus 10 Franken Eintrittsgebühr festgelegt.

Die Gründungsversammlung des SAC-Bergführerverbandes wurde durch Bruno Moll, Präsident der SAC-Sektion Weissenstein, zusammen mit zwei Mitgliedern seines Komitees organisiert. Um 18:30 Uhr stiessen alle Teilnehmer mit einem Ehrenwein auf die Gründung und das Wohl des neuen Verbandes sowie auf die Grosszügigkeit der Sektion Weissenstein und seines Präsidenten Bruno Moll an.